Lech & Zürs - Bericht

  • Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen… Neben meinem Bericht über die Strolz Innenschuhe sollt ihr auch noch was über das Skigebiet erfahren. Leider ist die Saison ja schon fast vorbei, aber: nach der Saison ist vor der Saison.

    Um es vorweg zu nehmen: es ist sicher allgemein bekannt, dass es sich bei der Region Lech/ Oberlech/ Zürs um eines der Nobelresorts der Alpen handelt. Insofern ist „günstig“ dort natürlich ein relativer Begriff. Es ist völlig unstrittig, dass man in anderen Regionen mehr Hotel fürs Geld bekommt Klar ist auch, dass man hier den einen oder anderen Nerzmantel herumlaufen sieht und exklusive Bekleidung, Ausrüstung und Autos keine Seltenheit sind. Das sind schlicht und einfach die Nebenbedingungen, die man akzeptieren, gleichwohl aber nicht zwangsläufig mitmachen muss, und stehen von daher hier nicht zur Diskussion. Das Gebiet als Snob-Resort abzustempeln ist aber trotzdem nicht gerechtfertigt. Von den Orten her bevorzuge ich Lech, da es sich seinen Charakter als Ort besser erhalten konnte; Zürs wirkt eher wie ein Retorten-Ort, hat also von der Seite her wesentlich weniger zu bieten.

    Skigebiet: Für jeden etwas. Das Gebiet spannt eine große Skischaukel über mehrere Berggipfel auf. Der Ort selbst ist tiefster Punkt mit ca. 1450m, die Gipfel gehen bis ca. 2500m. Die Höhe garantiert Schnee bis zum Saisonende. Durch die besondere Lage profitiert das Gebiet sowohl von Schneefällen aus dem Süden als auch aus dem Norden. Im Gebiet dominieren rote und blaue Abfahrten, es lassen sich aber auch schwarze Pisten sowie Routen von einfach bis schwer finden. Steilste Abfahrt ist mit über 140% Gefälle der Lange Zug vom Rüfikopf nach Lech. Diese wird mittlerweile voll präpariert. Die Infrastruktur an Liften ist hervorragend – abgesehen von einigen, wenigen 2er Sesselliften ist alles mit schnellen 4er – 6er-Sesseln bzw. Kabinenbahnen erschlossen. Die Pistenpflege ist hervorragend – das Gebiet hat ca. 260km präparierte Pisten, die jede Nacht gewalzt werden. Die Carving-Eignung verschiedener Pisten hängt etwas von den äußeren Umständen und der Tageszeit ab. Auf der lecher Seite sind der Schlegelkopf und der Schlosskopf die besten Plätze – beide haben eine angenehme Neigung, der Schlegelkopf ist zudem über große Strecken extrem weitläufig, der Schlosskopf ist ähnlich geneigt und durch seine Randlage nicht sehr stark frequentiert. Vormittags oder bei fester Piste ist auch der Rotschrofen eine gute Wahl. Auf der zürser Seite sind der Hexenboden und der Seekopf zu nennen. Der Hexenboden kann sich in puncto Steilheit durchaus sehen lassen. Wenn man sie rechtzeitig und gut erwischt, eignen sich auch der obere Teil der Abfahrt Muggengrat-Zürser Täli und Madloch-Zug bzw. Madloch-Lech zum Carven. Die Zürser-Täli Runde ist für mich die landschaftlich schönste Abfahrt: nach Umrundung einer kl. Felsformation an der Bergstation eröffnet sich einem ein gigantischer, atemberaubender Talkessel – rechts schroffe Felswände mehrere hundert Meter nach oben, links eine rote Piste, die wo anders locker als schwarz durchgehen würde. Der Talkessel wird halbseitig präpariert, die andere Hälfte wird als Tiefschnee/ Buckelpiste belassen. Am Boden des Talkessels zieht sich die Abfahrt durch das Täli, eingesäumt von riesigen Hängen und Felsen Richtung Zürs. Das Ende bildet ein Stück problemloser Ziehweg entlang der Straße bis in den Ort.
    Bei den Madloch-Abfahrten handelt es sich um Routen, d.h. bei Neuschnee erfolgt die Präparierung nicht sofort, sondern meist erst am folgenden Tag.

    Off piste: Tiefschneetaugliches Board einpacken ist Pflicht! Der eigentliche Reiz des Skigebiets sind nämlich die unzähligen Varianten abseits der Pisten. Durch diese Fülle an Möglichkeiten sind Tiefschneeabfahrten nicht nur den absoluten Frühaufstehern vorbehalten. Auch Otto Normalverbraucher mit normalem Schlafverhalten im Urlaub kommt zum Zug. Etliche dieser Hänge sind zudem sehr einfach über die Pisten erreichbar. Man ist dort sehr bemüht, ein größtmögliches Maß an Sicherheit zu bieten und sprengt daher nach Neuschnee in vielen Hängen die Lawinen ab, bevor die Freigabe erfolgt – 100% Sicherheit gibt’s natürlich nirgends.

    Extrem positiv fiel mir in dieser Ecke das Verhalten auf den Pisten auf: auch wenn mal was auf der Piste los war, fühlte ich mich, im Gegensatz zu anderen Skigebieten, nie bedrängt. Die Leute dort fahren recht umsichtig. Ich habe es ansonsten auch noch nie gesehen, dass sich Leute an den üblichen Haltepunkten ansprechen: „Möchten Sie zuerst fahren?“

    Après Ski/Board: speziell in Lech ist hier einiges geboten. Einige der großen Hotels entlang der Hauptstraße laden allabendlich – kaum überseh- und –hörbar zur großen Sause. Auch einige Bars und Clubs für après Après sind vorhanden. Die Ballermann-Variante sucht man hier aber vergeblich.

    Verpflegung: Restaurants für jeden Gusto gibt es in Hülle und Fülle. Während der Hauptsaison ist es sinnvoll, frühzeitig fürs Abendessen zu reservieren.
    Selbstversorger: kauft irgendwo unterwegs ein. Aldi (bzw. Hofer) und Lidl gibt’s dort nicht. Der Supermarkt Filomena ist dem örtlichen Preisniveau angepasst ;-). Mein Tipp falls ihr über die A8 und die Inntalautobahn kommt: fahrt in Kufstein Süd von der Autobahn runter und nehmt am 2. Kreisverkehr die 2. Ausfahrt, und fahrt ein paar hundert Meter Richtung Stadtmitte. Dort findet ihr eine große Hofer Filiale, außerdem gleich in der Nähe 2 Jet-Tankstellen – meist die günstigsten im Umkreis!

    Hinwise: In Lech und Umgebung gibt es auch eine Reihe Loipen für Langlauf und Skating.
    Neuerdings wird auch ein 9-Loch Schneegolfplatz Richtung Zug präpariert. Wer also will, kann auch ein paar Schläger und bunte Bälle ins Auto werfen.
    Es gibt einige Pferdeschlitten, die zur Rundfahrt einladen. Kostet wirklich nicht viel und gibt dicke Pluspunkte bei der Angebeteten.
    Bei stärkerem Schneefall rate ich von Tagestrips nach Lech und Zürs ab. Ich habe es selber schon mitbekommen, dass eine Reihe Tagestouristen oder Besucher aus dem Ostteil des Gebiets (z.B. St. Anton/ St. Christoph) über Nacht in Lech festsaßen, weil die Flexenpass-Straße wegen Lawinengefahr gesperrt wurde. Wenn einem das z.B. in den Ferien passiert, kann es passieren, dass man kein Quartier bekommt oder mit der 500EUR+ Variante vorlieb nehmen muss, wenn man nicht im Auto schlafen will.

    Für mich war es heuer seit über 10 Jahren Abstinenz dort das erste Mal. Sicher nicht das letzte Mal. Meiner Freundin und mir hat es extrem gut gefallen.
    Wer ausschließlich Carvingautobahnen im Format 300 x 5000m geradeaus den Berg runter sucht, findet sicher ein anderes Skigebiet, das ihm davon mehr bietet. Wer dagegen mehr Abwechslung sucht und auch mal ins Gelände will, dem sei das Gebiet ans Herz gelegt.

    Sozusagen als Disclaimer: ich war dort im März zwischen den Ferien. Ich kann also nicht für den Rest der Saison sprechen.

    Links:
    http://www.lech-zuers.at/
    http://www.skiarlberg.at/west/index.html
    http://www.derweissering.at/DWR010/

    Frage meiner Tochter, als ich mich neulich zum Boarden anzog: "Papa, bist du ein Ritter?"

  • Zitat

    Original von Segel Segler
    Steilste Abfahrt ist mit über 140% Gefälle der Lange Zug vom Rüfikopf nach Lech. Diese wird mittlerweile voll präpariert.

    Free Fall Carving mit Fallschirm? Das sind knapp 55°!
    Gehört auch zu meinen Top 3 favorite spots. Man muß aber nicht unbedingt in Lech oder Zürs wohnen. Ich bin immer in der weiteren Umgebung untergekommen und in den meisten Fällen fuhren da auch Busse ab.

    Zum carven bin ich allerdings am liebsten zur Sonnenkopfbahn bei Klösterle gefahren. Ansonsten ist in Zürs der Hexenboden top - hat genau die richtige Breite und Neigung.

    Living on the edge

  • Hallo Segel Segler,
    Du hast Dir ja mit dem Bericht richtig Mühe gemacht. Klasse. :thump:
    Bei dem Studium der empfohlenen Pisten drängt sich mir allerdings die Frage auf,
    ob es da auch Pisten gibt, die Dir nicht gefallen haben. :-?
    Beziehungsweise, was ist in Lech besser als anderswo?
    Ich bin schon in vielen Gebieten gewesen, habe aber gerade Lech und Zürs jedesmal als No-Go empfunden.
    (Ist aber ein paar Jahre her).
    Trotz Nebensaison zu voll, zu flach, zu viele Ziehwege, zu stark kuppiert und überhaupt ...
    Der Hexenboden in Zürs ist allerdings klasse - solange er steinfrei ist. :nuts:
    St.Anton und Lech sind als Freeridemekka bekannt. Dementsprechend sind dort selbst die hintersten Winkel
    (mit einem Kilometer Hangschrägfahrt) nach spätestens 2 Tagen zergurkt. :wand:
    Da bietet sich schon eher der Sonnenkopf zum Freeriden an. Da geht auch 2 Tage nach dem letzten Schneefall noch was.
    Zum Carven ist der Rendl in St. Anton gut geeignet. Ist hier ja auch schon ein paar Mal beschrieben worden.
    Wenn man die Unterkunft in Stuben wählt, ist man überall in kürzester Zeit - zur Not auch in Lech. :wink:

  • Hört sich gut an.
    Klangvolle Namen, Schicki-Micki, Top-Resort, Powder, usw.
    Für mich war die Schischaukel um St.Anton einer von zwei Top-Flops.
    Der Zweite war übrigens Lech/Zürs.
    Habe bisher noch selten dermassen schnell zerfahrene Hänge erlebt, wie dort.
    Selbst in Sölden könnte man zwei Tage nach dem Neuschneefall noch unberührte Hänge fahren.
    Im vom Ruhm zehrenden St. Anton dagegen ists schon am späten Vormittag gewesen, mit dem netten Neuschnee.
    Womöglich gibts in diesem überaus ausladenden Gebiet jedoch auch versteckte Hänge, die zu fortgeschrittener Stunde noch was hergeben.
    :-?

    "Es geht hier auch um den Erhalt von Kulturlandschaften und eine Verhinderung der Verbuschung"

  • joemzl: Jeder hat andere Vorlieben. Als absolutes no-go empfinde ich das Gebiet auf keinen Fall - da kenne ich andere, denen ich dieses Prädikat eher geben würde.
    Um deine Frage zu beantworten: klar gibts dort Pisten, die mir nicht gefallen. Ich finde z.B. die normale Abfahrt Kriegerhorn - Steinmähder irgendwie ziemlich öd. Allerdings besteht das Gebiet nicht nur aus den von mir erwähnten Pisten, sondern wesentlich mehr. Ich fand diese positiv erwähnenswert. Eine Liste im Stil von "Nicht gemocht habe ich folgende Pisten: 1.)..." ist mir zu fad. Wie ich aber geschrieben habe: wenn du die Carvingautobahn bevorzugst, wirst du davon mehr in anderen Gebieten finden.
    Vom Betrieb her war es in der Woche, die ich erwischt habe, völlig OK.
    Ob Haupt- oder Nebensaison - die Pisten hatten immer die gleiche Neigung, kam mir vor. :grinzzzz:
    Die Frage, was in Lech besser ist, als anderswo: muss jeder für sich beantworten.

    Frage meiner Tochter, als ich mich neulich zum Boarden anzog: "Papa, bist du ein Ritter?"

  • Als über 30 Jahre Zürs-Gast muss ich hier natürlich auch zu Wort melden. :pfeif:
    Die schnelle vorbildliche Aufrüstung der Infrastruktur angefangen bei Schleppliften und Einersesseliften bis hin zum letzjährigen ersten 8er Sessel habe ich alles miterlebt.
    Die Preise haben uns seit dieser Saison vertrieben, mit vierköpfiger Familie ist das in der Hauptsaison nicht mehr tragbar. :vogel:
    Wir haben unseren (sehr) kleinen Zürsersatz nun in Galtür gefunden. :freu:
    Aber ganz kann ich dem tollen Gebiet nicht den Rücken kehren, zumindest zu den "weissen Rennen" schaue ich noch am Arlberg vorbei. Am Sonntag war ich gerade wieder auf meiner geliebten Seekopf-Piste. :boarden:

    Dem Eingangsposting kann ich uneingeschränkt zustimmen. :thump:
    Was Zürs betrifft, möchte ich noch die Trittkopfabfahrt erwähnen. Die Balmenpiste (7) hat nach dem Ziehweg oben einen schönen großen Hang, außerdem findet man dort tolle Abfahrten im Gelände. Nach der letzten Gondelauffahrt am Abend genossen wir oben meisst zum Abschluss das phantastische Panorama bei einem Becher (wirklich sehr gutem) Automatenkaffee.
    Die gegenseitige Rücksichtnahme kann ich nur bestätigen. Wie schon in einem anderen Fred geschrieben wurde ist das wirklich mit der "Proll-Dichte" erklärbar. Ischgl ist für mich das Gegenbeispiel.
    Erwähnenswert ist auch noch das Tageskartenoberlimit. Dadurch werden die Pisten nie übervoll.

    LG
    Jörg

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